Die schokoladige Sünde von letzter Woche stammte ja nicht von mir, sondern von der lieben Jenni vom Blog Mehr als Grünzeug. Auf ihrem Blog dreht sich alles rund um gesunde Ernährung, veganer Lebensstil und Nachhaltigkeit. Von Rezepten, wo man direkt schon auf die Tastatur sabbert, bis hin zu bis ins Detail recherchierten Berichten zu Plastik und nachhaltiger Mode lässt sie uns an ihren Gedanken teilhaben und informiert dabei noch. Momentan wird gerade ihr Zuhause einmal umgekrempelt und es geht Richtung Zero Waste – einem annähernd müllfreien Leben.
Das alles kombiniert sie mit einem sehr individuellen, kreativen und spannendem Backstil! Im Gegensatz zu mir sind ihre Kuchen allerdings gesund und kommen ohne Zucker als Süßungsmittel aus 😉. Öh, ja, das ist definitiv noch so eine Baustelle bei mir mit den gesunden Naschereien 😝.
Ich freue mich also sehr, Jenni für ein Interview gewinnen zu können. Und wie ich gehört sie zu den Menschen, die gerne und viel reden (meine Grundschulzeugnisse kamen nie ohne diese Anmerkung aus) und ich mir war, als ich ihren Blog entdeckte, einfach direkt klar, eine Gleichgesinnte gefunden zu haben 😁💚, von der ich auch noch viel lernen kann!
Liebe Jenni, ich mag deinen Blog ja total gerne und hab einfach das Gefühl, dass wir da so ziemlich auf der gleichen Wellenlänge sind 😁💚. Erzähl mal, wie bist du denn zum Bloggen gekommen?
Liebe Shia – zunächst einmal: Das ehrt mich und freut mich sehr! Zumal Cake Invasion, also dein Blog, so ziemlich der erste vegane Backblog war, der mir nichts als neidloses Staunen abgenötigt hat. Ich habe mich immer gefragt: "Wie macht sie das alles nur?“ Dass du daher meinen Blog ebenfalls gerne liest, ist für mich eine besonders große Freude. Das Gefühl mit der gleichen Wellenlänge habe ich auch absolut und ich freue mich sehr, dass der Kontakt in den Weiten des WWW zustande gekommen ist!
Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, ohne gleich erzählerisch weit auszuholen (das ist, glaube ich, mittlerweile mein Markenzeichen geworden: viel zu erzählen).
Ich glaube, die grundlegende Antriebsfeder war mein innerer Schreibdrang. Ich weiß nicht, ob das nachvollziehbar ist, aber ich muss schreiben, um den mentalen Dampfdrucktopf zu entlasten – wenn ich das nicht kann, werde ich unruhig und nach ein paar Tagen grundsätzlich anstrengend. Im Teenageralter habe ich das mit dem stereotypen Tagebucheintrag gelöst – doch mit dem Umstieg auf den Veganismus und den vielen, vielen Dingen, die ich gelernt hatte, wusste ich, dass ich auch das schreiberisch verarbeiten musste.
Ich stieß im Internet darauf, dass ja jeder und jede heutzutage sein kleines Zuhause digital einrichten und sein Wissen mit anderen teilen kann – und war sofort Feuer und Flamme. Das war die Lösung! Für mich, um ganz egoistisch ein Ventil für meine Gedanken zu finden – und für andere Menschen, die ich gerne mit diesen Gedanken, aus denen dann auch Rezepte entstehen, inspirieren möchte.
Ja – und dann habe ich einfach losgelegt. Der Anfang war – da das alles absolut nicht durchdacht war und kein ausgefuchstes Konzept dahinterstand – auch dementsprechend amateurhaft. Wenn ich zurückdenke, muss ich lächeln, nein lachen. Aber es ist kein verschämtes, sondern ein befreiendes Lachen, weil man so viel gelernt hat mittlerweile.
Was inspiriert deine Rezepte? Wie entstehen sie?
Oh, da fließen ganz viele verschieden Inspirationsquellen zusammen.
Auf der einen Seite gibt das Internet selbst ja unglaublich viel her – ich liebe Pinterest und die vielen anderen tollen Blogger*innen, die so viele Rezepte entwerfen, bei denen man große Augen und ein spontanes Magengewitter bekommt, wenn man die Bilder sieht. Da sammle ich fleißig – wohl wissend, dass ich die Rezepte niemals 1:1 umsetzen werde, weil ich dazu absolut unfähig bin. Immer wird etwas verändert, angepasst, ausgetauscht, spontan uminterpretiert. Aber das liebe ich daran – das ist ein gegenseitiges Inspirieren, das höchst fruchtbar ist.
Auf der anderen Seite habe ich einen flexiblen Fundus an Koch- und Backbüchern, aus denen ich mir immer mal wieder gerne Anregungen hole – und ich bin wirklich ernsthaft bemüht, diesen Fundus im Zuge meiner Ausmistaktion ebenfalls mit einzubeziehen. Bisher war das eher semi-erfolgreich, muss ich zugeben.
Wenn ich dann – woher auch immer – eine Idee aufgeschnappt habe, speichere ich die in den hintersten Winkeln meines Gedächtnisses ab (oder auf einem Pinterest-Board), um sie irgendwann einmal nachzumachen.
In solchen Fällen stehe ich dann mit Original-Rezept in der Küche und weiß schon vorher, dass ich es – wie gesagt – wieder einmal ganz anders manchen werde als dort beschrieben ist. Ich kann mich da schlecht zurückhalten. Aber das hängt auch damit zusammen, dass ich mir im Laufe der Zeit ein paar Regeln festgelegt habe, die ein Rezept für mich erfüllen muss, damit es wirklich gut ist:
- Es muss (selbstverständlich) vegan sein.
- Es darf kein Industriezucker und kein Weizenauszugsmehl enthalten sein.
- Schokolade wird durch Rohkakao ersetzt.
- Butter/Margarine/Sahne und solche Dinge fallen ebenfalls weg.
- Gesüßt wird mit Bananen, Datteln, Dattelmus und anderen (Trocken-)Früchten.
- Gekauft werden nur die Rohzutaten, der Rest wird – soweit es geht – selbstgemacht.
Mit einem derartigen Anforderungskatalog kann man natürlich nicht an viele Rezepte herantreten – und es ist auch gar nicht meine Intention, sie anhand dieses Katalogs in irgendeiner Weise beurteilen oder gar hierarchisieren zu wollen. Das ist nur meine persönliche Art, wie für mich gesundes veganes Backen (und Kochen) funktioniert. Doch die Konsequenz ist eigentlich fast immer, dass am Ende ein komplett neues Rezept herauskommt.
Manchmal habe ich aber auch selbst eine fixe Idee (oder bekomme sie von Mr. Grünzeug, der auf diesem Gebiet auch sehr produktiv ist, geliefert). In diesem Falle stelle ich mich einfach hin und probiere. Meistens funktioniert die Idee, manchmal aber auch nicht. Dann wird der Mehlstaub abgeklopft, die Frisur gerichtet und ein neuer Anlauf gestartet. So lange, bis es gut geworden ist.
Ich finde es ja super interessant: Ich bin beim Backen ja die ganz Korrekte. Bei mir ist ein Esslöffel (EL) ein gestrichener Messlöffel mit 15 ml und ein “Cup†eine amerikanische Messeinheit mit knapp 240 ml (237 ml, um es ganz genau zu nehmen). Ich finde deinen minimalistischen Ansatz mit vereinfachten Maßeinheiten ja wirklich cool und überlege selbst schon 😉. Wie kam es eigentlich dazu?
Oh, das freut mich sehr! Ich kann dir das Messen mit Tasse und EL und TL nur empfehlen – es entspannt wunderbar, wenn man weiß, dass man nicht auf das Gramm genau abwiegen muss. Und es spart wirklich Zeit. Ein wenig Erfahrung gehört natürlich dazu – man braucht das Gefühl, eine gewisse Ahnung, wie viel Wasser der Teig jetzt noch verträgt, welches Mehl am besten für welches Backwerk geeignet ist (mein Favorit: Dinkelvollkorn – mit dem gelingt fast alles) und welche Zutaten wie am besten miteinander harmonieren. Aber das ist kein Hexenwerk und lässt sich mit ein wenig Geduld leicht erlernen.
Ich habe mir dieses Verfahren selbst beigebracht, so wie alles, was ich über das Kochen und Backen und Küchengeschehen weiß. Ich bin zwei Tage nach meinem 17. Geburtstag von zuhause ausgezogen und konnte zu diesem Zeitpunkt nicht einmal Nudeln kochen. Nicht, weil ich zu faul gewesen wäre – es hat mir einfach nie jemand beigebracht.
Nun stand ich da – bereits damals schon mit Mr. Grünzeug beziehungsmäßig verkoppelt – in unserer ersten gemeinsamen Wohnung und kriegte nicht einmal unfallfrei Pasta zustande. Was nun folgte, war ein sehr langer und sehr lehrreicher Weg.
Ich habe mich vorangetastet – das ist wohl der Ausdruck, der es am besten beschreibt. Ich habe immer mal wieder ausprobiert. Zunächst noch mit Backmischungen (Industriezeug, das ich heute niemandem mehr empfehlen würde), dann aber Schritt für Schritt immer selbstständiger. Als nächstes buk ich dann konventionelle Dr. Oetker-Rezepte nach – mit viel Sahne und dem ganzen Theater. Und dann wurde ich immer sensibler, informierter, was viele Dinge anbelangte und richtete über die Jahre meine Küche danach aus.
Um auf den Kern der Frage zurückzukommen (jetzt habe ich schon wieder so viel erzählt): Wir hatten nie eine Küchenwaage. Und auch keinen Messbecher oder ähnliche Gerätschaften zum Abwiegen und -messen. Und ich war immer sehr erstaunt, wie der türkische Dönerverkäufer und die Schwiegermama-in-spe das hinbekamen, das Backen so ganz ohne akkurate Hilfsmittel. Das hat mich fasziniert und das wollte ich auch können.
Dann habe ich mich informiert – im Netz gibt es ja schöne Umrechnungstabellen – und zahlreiche Fehlschläge erlitten. Aber ich blieb dran – und mittlerweile klebt zwar immer noch eine Umrechnungstabelle am Kühlschrank (wobei: jetzt, wo mir das klargeworden ist, vermutlich gleich nicht mehr), aber ich nutze sie eigentlich gar nicht mehr. Die Intuition sagt mir meistens, was ich jetzt zu tun habe – und in der Regel hat sie glücklicherweise recht.
Was backst du am liebsten und warum?
Ich liebe Kuchen.
So ganz und gar mit Haut und Haar bin ich den Kuchen verfallen. Dieser Duft, der durch die Wohnung zieht, wenn man die Ofentür öffnet, ist so unvergleichlich schon und gemütlich und heimelig und löst so viele schöne Gefühle in einem aus, dass man das gar nicht beschreiben kann.
Besonders im Winter, wenn Pflaumen, Zimt, Apfel ihre Rollen spielen dürfen, ist das Backen ein ganz eigener Zauber.
Aber auch im Sommer liebe ich Kuchen – in Rohform, mit viel Nuss, Kakao und direkt aus dem Kühlschrank.
Direkt danach kommt meine Brotbackliebe, die bisher auf dem Blog noch nicht so große Resonanz gefunden hat. Wir haben seit Jahren kein Brot mehr von außerhalb gekauft, weil ich ständig welches selbst herstelle. Und wenn es einmal ganz schnell gehen muss, gibt es halt Pfannenbrot – das muss nicht gehen und schmeckt immer und zu allem.
Beim Brot fasziniert mich die Chemie des Backens – das Aufgehen von Teig, das Luftigwerden, wenn die Mischung und die Führung gelungen sind. Ich kann mich über einen aufgegangenen Brotteig freuen wie ein kleines Kind – und dann renne ich in der Wohnung herum und zeige allen Anwesenden stolz die Schüssel. "Guck mal – ist das nicht schöööön?“
Du lebst ja vegan, gesundheitsbewusst und nun mehr und mehr Zero Waste, sprich, sehr müll- und plastikarm. Hängt das für dich zusammen?
Ja, definitiv.
Sowohl in meiner persönlichen Entwicklung, die beinahe zeitgleich mit gesunder Ausrichtung und Veganismus begonnen hat und erst in neuerer Zeit ein müllvermeidendes Leben in den Fokus genommen hat, als auch von der generellen (ideo-)logischen Verknüpfung her.
Ich glaube, wenn man sich umfassend mit der Frage danach, ob man Tiere essen und ausbeuten sollte oder nicht und was eigentlich das Beste für einen selbst und den Rest der Welt ist (denn das ist ja im Prinzip die Meta-Ebene, um die sich diese Fragen drehen) auseinandergesetzt hat, kommt man ohne ausgeprägten Verdrängungsmechanismus nicht daran vorbei, sich auch mit dem weltweiten Müllproblem zu befassen. Und sich zu fragen, welchen Anteil man eigentlich selbst dazu leistet.
Hat dieser Umstieg auf Zero Waste dein Back- und Kochverhalten verändert?
Ein wenig schon, ja.
Dadurch, dass ich vorher auch bereits sehr bewusst gekocht und gebacken habe, war diese Veränderung nun nicht so groß wie man das vielleicht vermuten würde, doch es hat sich dennoch etwas getan. So mache ich Basics (zum Beispiel Pflanzenmilch) nun ausschließlich selbst und habe ein noch stärkeres Auge auf Regionalität und Saisonalität bei frischen Zutaten. Und wenn es eine Zutat nicht unverpackt zu kaufen gibt, dann habe ich sie eben einfach mal nicht im Haus und behelfe mir anders weiter. Das hat auch viel damit zu tun, dass man einsieht, dass nicht jedes Bedürfnis, das man hat, jetzt sofort und unmittelbar befriedigt werden muss. Das finde ich sehr lehrreich.
Insgesamt hat der Umstieg alles entschleunigt. Ich kaufe in deinem Lieblingsunverpacktladen ein, der auch zu meinem Favoriten avanciert ist – und allein da ist die Stimmung so ruhig und entspannt, dass man schon beim Einkaufen selbst zur Ruhe kommt. In der Küche setzt sich diese Entspannung fort – ich hatte zwar schon immer Respekt vor Lebensmitteln, aber dieser hat sich nun noch verstärkt, ich achte mehr darauf, was ich wofür einsetze und stecke noch mehr Liebe in das, was ich kreiere.
Was sind deine Top-Tips, wie man vielleicht auch als Backanfänger vegan, gesund und umweltbewusster backen kann?
Ich glaube, ich würde jedem und jeder den oben aufgeführten Kriterienkatalog ans Herz legen. Und nicht erschrecken: Das muss nicht alles sofort bei jedem eurer Rezepte umgesetzt werden, um Gottes Willen! Aber eine gute Orientierung, eine grobe Richtung gibt er vielleicht vor.
Außerdem: Wenn ihr viele Dinge unverpackt einkauft, dann seid ihr in der Regel auch gesundheitlich bereits auf einem guten Wege – denn zumindest bei den Backzutaten (wenn wir jetzt einmal von fertigem Weingummi oder Schokolade absehen, die es beide vegan und unverpackt zu kaufen gibt) werdet ihr viele "böse“ Dinge gar nicht mehr als Kaufoption haben – Pflanzensahne, Margarine, künstliche Aromen und Pülverchen? Fehlanzeige. Die einzigen Fallen, die dann noch da sind, lauten: Zucker und Weißmehl. Aber auch die könnt ihr eigentlich ziemlich einfach umgehen: Ersetzt zunächst das Weißmehl durch Dinkelvollkornmehl (natürlich nicht im jeweiligen Rezept 1:1, da Dinkelvollkorn ganz andere Teigeigenschaften mitbringt, aber in eurem Konsumverhalten generell) und lasst den Zucker weg. Einfach nicht das weiße Pulver da kaufen – sondern stattdessen ein paar Bananen und Trockenfrüchte mehr. Und wenn ihr das beste Süßungsmittel der Welt haben wollt – gesund, vegan, DIY – dann empfehle ich euch allerwärmstens, Dattelmus selbstzumachen. (Das Rezept ist supersimpel und gibt es auch auf meinem Blog zum Nachlesen.)
Wenn ihr diese beiden großen Punkte beachtet, seid ihr eigentlich schon einen großen Schritt vorwärtsgekommen: unverpackt einkaufen und Weißmehl und Zucker austauschen.
(Man könnte jetzt eine Diskussion über die Nachhaltigkeit von Datteln beginnen – mit einigen schlagkräftigen Argumenten, aber das verlegen wir besser auf einen anderen Artikel, hier bei Shia oder drüben bei Shia oder vielleicht auch bei mir).
Wichtig ist allerdings immer: Nehmt euch nicht zu viel auf einmal vor. Fasst nicht heute den Entschluss, vegan und gesund und nachhaltig zu werden – koste es, was es wolle. Lebensstil ist kein Kampf mit euch selbst, sondern der Weg zu euch selbst, vergesst das nicht.
Ich für meinen Teil habe über sieben Jahre gebraucht, bis ich an dem Punkt war, an dem ich heute bin – und ich weiß genau, dass ich nicht perfekt bin in dem Sinne, dass alles bei mir zu 100% sauber, nachhaltig und ökologisch läuft. Alles ist Entwicklung, und das ist gut so. Der Kopf muss hinterherkommen – es bringt gar nichts, wenn ihr euch verbissen etwas vornehmt und ein paar Monate später in alte Verhaltensweisen zurückfallt, weil es alles so furchtbar anstrengend ist.
Das ist es nämlich gar nicht. Sondern ein großes Abenteuer.
Vielen lieben Dank für das spannende Interview, Jenni!
Lena
Richtig tolles Interview! Ich mag Jenni's Blog auch total gerne und es war spannend so auch mal mehr über sie herauszufinden. Kaum zu glauben, dass sie tatsächlich mal so ein Kochmuffel war. Hut ab dafür, dass sie sich das alles selbst beigebracht hat 🙂
Liebe Grüße
Lena
Petra Sood
Spannend und inspirierend finde ich das Interview!
Cookies&Style
Echt tolle Kreationen und tolles Interview. Ich finde es super spannend beim Backen nicht mit Zucker zu süßen.
LG,
Ulrike